Open Mic

Heute morgen bin ich wieder aufgewacht
in eine Welt

die mich nicht nur nicht will
sondern mir abspricht, überhaupt zu existieren

Und wisst ihr, was ich gemacht habe?
Ich war einfach den ganzen Tag nichtexistent in meinem Job

Und plötzlich gings mir besser in der Welt.

Heute morgen bin ich wieder aufgestanden
in eine Welt

die mich nicht richtig anspricht
und die, egal ob ich drum bitte oder kämpfe, mir sagt friß oder stirb

Und wisst ihr, was ich dann gemacht habe?
Ich hab den ganzen scheiss Warenkorb ausgekippt und bin in den Park gegangen

Und plötzlich waren da andere wie ich und es gab Picknick.

Heute morgen bin ich wieder eingetreten
in eine Welt

die die Spielregeln machen will
die mich ein halbes Leben lang davon abhalten wollte, zu sein, was ich bin

Und wisst ihr, was ich dann gemacht habe?
Ich hab mich an der Hand genommen und bin ausgestiegen aus dem fucking Karussell

Und plötzlich waren da Schraubenschlüssel und Hände und viele Einzelteile.

Heute morgen bin ich wieder abgeprallt
an einer Welt

die mich vom Rand stoßen will
die mich anschreit und zum Schweigen bringt, wie Luft behandelt und den Atem nimmt, unter Wasser drückt und von aussen nach innen brennt

Und wisst ihr, was ich dann gemacht habe?
Nichts. Es ging nicht. Ich hab einfach – Glück gehabt, ich habe einfach – überlebt

Und plötzlich war da ein Arm eine Hand ein Herz ein Pflasterstein ein Weg.

Heute morgen bin ich wieder zurückgekommen
in eine Welt

die wieder bei gestern beginnen wollte
die sich wieder und wieder zurückdrehen wollte

Aber wisst ihr, was ich dann gemacht habe?
Ich hab nen Stock in die scheiss Speichen gesteckt

Und plötzlich geht die Sonne unter und vielleicht, vielleicht entsteht ja gerade eine neue Welt.

 

Blank * _

Ungeschütztes Leerzeichen
nonbreakingspace
shuttles to earth
between world and space
Platz Fläche Weltraum Weltall Leerstelle Abstand  Raum
I am   I am underscore I am star

Underscores inserted between letters are very common to make a „multi-word“ identifier in languages that cannot handle spaces in identifiers yes
I am the gap

And a star. And guess what? There are trillions of us in this galaxy
Starring in the new series „The future is nonbinary“

performance

per|for|men 〈V.〉
1 vorführen, aufführen, eine Performance veranstalten; Gedichte auf der Bühne

ich per forme
ich forme per
körper stimme ausdruck
verkörpern was ich bin und werde wenn mehr stimmt
wenn zwischen innen und aussen zwischen formen und fühlen kein spalt mehr ist durch den ich falle oder die welt

ich performe nicht ich bin
angeödet von normen
von blicken und dem knallen der schubladen
ich bin müde und hellwach

ich will stimmen
für mich passen
und werwelchewas sagt mir wenn nicht ich
du stimmst, passt in die welt, sie schützt und feiert Dich, ja? Nein.

kein stück. keinen tag. nirgendwo.
außer du. außer wir. sind uns selber welt.

ich mag mich nicht vorführen wie ein overdresstes kind an der hand
das nicht will und nicht in der Situation sein sollte
Ich führe nichts vor oder auf, veranstalte nichts, weder tumult noch tutorial
ich bringe liefere nicht und nichts

live performance
er/sie/es performt
ich bin nicht dabei
hier nicht und an vielen orten

ich performe nicht
wie die aktien von denen ich keine ahnung habe und auch nicht haben will

ihr performtet
wir performten
was performen wir was werden wir
performen

lasst uns
life entnormen

Der Code ist binär

0️1️
⚫⚪
⚪⚫
1️0️

01000100 01101001 01100101 00100000 01011010 01110101 01101011 01110101 01101110 01100110 01110100 00100000 01101001 01110011 01110100 00100000 01101110 01101001 01100011 01101000 01110100 00100000 01100010 01101001 01101110 11100100 01110010

Aufgewacht im Heute. Der Raum in Graustufen, Gradients von schwarz und weiß, weiche Kanten, keine Schatten. Keine Farbe. Eine serifenlose Schrift, anti-aliasing. Aside der Balkon über die ganze Breite, der Content zentriert.
Der Code ist binär, ich bin es nicht. Mein Herz klopft leise, es wartet auf Dich.
Du zwinkerst wieder, ich seh es genau. Die Welt ist Deine Matrix, Dein Augenwinkel der Glitch. Du bewegst Dich lautlos, lachst leise über mich, ich weiß schon, ich lache mit.
Der Code ist binär, wir sind es nicht.
Der Mensch ist kein Unfall, er ist wie Du und ich, aber wir, wir sind nicht von hier.
Du wünschst uns Glück, und aus Deinem Mund klingt es einfach und leicht. Diese Welt ist ein Rätsel, ein fremdes System. Ich kreuze die Worte, Zahlen kenn ich nicht.

Der Code ist binär, der Compiler bin ich.
Kein Mensch ist binär, mein Compiler ein Gedicht.

 

nonbreakingspace

Ich bin ein  
Non-breaking Space
nichtbinärer s p a c e
not otherwise specified
kein 1 oder 0 ja oder nein
Non-breaking Space
Enter the room
you are welcome here
after the roof fell down I realized
there were no walls
and have never been
The windows are black holes
the universe stares down through
I am a non-breaking space
my bones never could limit
my hypermobility
Hit enter
A breathing room
for sb/sth
I am one or another
leave the room
noone behind
the door

Alles in allem

Ich habe geflüstert, als würdest Du schlafen.

Die Tage und Zeit vergehen, vor einer Woche war das leise Reden, die Trauerfeier, vor drei Wochen waren Deine letzten drei Atemzüge, lang und schwer und mit ewigen Pausen. Diese Pause ist die längste, es ist keine, auch wenn ich vor ein paar Tagen mitten in der Nacht aufgewacht bin und mich sagen hörte: Jetzt ist auch mal gut, bitte, Du kannst jetzt wiederkommen. Bitte. Bitte komm zurück.

Und Du kommst nicht. Kommst nie wieder durch die Tür, nie wieder in die Küche, erst mal nen Kaffee, oder? Nie wieder machst Du mir die Tür mit den Worten auf, na, mein Hasenbeinchen, ich hab Dich vermisst.

Es gibt keine Pause-Aufnahme-Stopptaste, ich hasse das Gerät, will alles aus dem Fenster werfen, ist der vierte Stock hoch genug, wenn ums Haus kein Rasen ist, ich will, dass alles wie vorher ist. Ich will, dass Du nicht gestorben bist.

kreisgespräche

wir könnten opfer werden
oder waren es schon

wir sind lesbisch, jüdisch, politisch
feministisch, behindert, nicht binär
oder alles

oder täter_in
und täter_in

wir sind weiss, privilegiert, haben den passenden pass
und finden das normal, weil das die norm ist
oder nicht

wir tun oder tun nichts, dagegen oder dafür

und fragen uns endlich
reicht das und wenn ja wofür

Chasing the clouds home

Schreib Dir doch die Seele aus dem Leib, sagte sie. Seitdem habe ich kein Wort mehr zu Papier gebracht, aus Angst, ich könnte es schaffen.

Just kidding. Ist nur ne langweilige Schreibblockade. Mehr als tausend Worte blockieren mich Stresslevel und Furcht. Oder Depression. Whatever.
Wenn ich nur könnte. Rausschreiben, die Welt ausschütteln wie ein staubiges Laken und danach nichts mehr sehen können. Mir selbst nicht mehr folgen können.
Mich äußern. Das Fenster öffnen und mich fragen, was ich lüfte, den Raum oder das Draussen. Stille oder Stillstand.

Und dann Vorhang auf für Frühling. Oder Frölenk, wie das Kind buchstabiert. Klingt auch gleich viel frölicher 🙃

Staub, der das Licht reflektiert

Aus Gold und Gewalt sind wir alle

Wenn wir heute den Himmel betrachten und kleine oder große Löcher hineingucken, mal bunt, mal leer, auch schwarz, dann ist dieser Blick zu gleichen Teilen der Nichtblick, den wir hatten, als wir in Räumen eingesperrt, in Zeiten mit verbundenen Augen, in Wäldern bei Nacht; allein waren, trotz und wegen der Menschen dort, verlassen, entblößt, gequält. Absichtsvoll. Von der Welt. Aus der Welt. Es sollte eine Welt ohne Himmel sein, ohne Luft, ohne Farben, ohne Mitgefühl. Und auch wenn es nicht gelang, uns eng, erstickt und grau werden zu lassen, ist in unseren Blicken der Weg, den wir von dort zurückgelegt haben, der lebenslange Weg dort heraus. Das gefolterte Selbst ist nie wieder ungefoltert, wir sind aus Gewalt erstanden und Gold, das kein Mensch nehmen, pressen oder verkaufen kann. Es mag lange nur ein Schimmer gewesen sein, eine Hoffnung, dass da etwas sein könnte, das größer und goldener ist als wir selbst und das leuchten kann in und aus der Tiefe, die Menschen gegraben hatten in die Welt und uns, um es auf- oder auszufüllen mit sich und ihrer Macht, ihrem Sein. Aber das wahre Wesen ist ebenso lebendig und wahr wie der Schmerz, wenn wir erkennen. Es leuchtet, nach und von und innen und aussen. Gold scheint leicht und Leid schwer. Dabei sind sie einfach. Da ist kein anderer. Es ist unserer und nicht unserer, es ist der Schmerz der Welt und eurer und weil es kein uns und euch gibt, ist es gemeinsamer Schmerz. Wenn wir uns oder ihr euch zu einem euch und nicht uns machen, bleibt es unser Schmerz. Verbundenes Leid. Bei uns blutet es dann manchmal durch die Narben, bei euch juckt es kurz und wenn ihr dann nicht hochseht, sondern gedankenverloren über euren Arm wischt, wundert ihr euch vielleicht, dass wir weinen.

Und Glitzer, Glitzer ist auch nur Staub, der das Licht reflektiert

Toter Glitzer

Zwei Tage nach dem heftigsten Traum, den ich seit Monaten gehabt habe, ist das Aufregendste die neue Sojasauce mit Hot Chili Lemon Flavor.

Ich hatte geträumt, ich war mit einer Person, der eigentlich ich war, draussen, stand irgendwo entspannt rum, ich glaub, wir unterhielten uns gerade, als ein brennendes, wahnsinnig schnelles Geschoss auf mich zuraste, eine sirrende Kugel, nicht linear, sondern wie programmiert auf bewegliche Ziele, fast als hätte sie ein Auge, rot brennend, meinem Ausweichen magnetisch folgend, um mich zu töten; das erste Mal ging sie knapp daneben, aber ich wusste und sagte es laut in den Raum: Ich sterbe.

Eine Ausweglosigkeit und Absurdität von Zeit, zugleich lupenartig und gerafft, über sich selbst hinwegdeutend auf die nahe Zukunft, die einen oder zwei tote Körper am Boden liegen sah. Beruhigend, auf jeden Fall nicht entkommen zu können, beängstigend, jetzt doch noch erwischt worden zu sein.

Catch me while I’m still living.
Und Staub, ja, Staub ist doch auch nur toter Glitzer.

gold was glänzt

heute sind es zwei jahre, soundsoviel nicht gezählte tage ist es her, dass unsere begegnung eine gesprengte see wurde.

ja. ja, das ist das, wenn untendrin, untendrunter eine bombe explodiert und dann die ganzen toten fische und plastikpartikel in die luft geschleudert werden, wie fontänen, aber in schrecklich. kein springbrunnen, falls das die erste assoziation war, sondern so, dass dem ersten schreck der schock folgt, dann irgendwann schleudertrauma und schrotthalde. dann lange nichts oder niemand.

später dann phoenix und so, klar. doch vorher in die luft gejagte see. du uns, mich, alles, aber das war gestern, heute bin ich taucher. und auf der deponie wächst gras, grün und giftig, leuchtend. mir geht es gut. psycho ist over, physio hilft beim rest.

ich vermisse dich noch, trotzdem. dabei kenne ich dich nicht einmal. kannte nur das gold, das ich in dir sah, tief drinnen, unten. weit weg von der farbe, die deine haare ebenso schimmern ließ, naja fast. vermisse deine hände, die blicke, die offen waren, unser begegnen. ich weiß nicht, ob du das warst oder nur eine ahnung. das gefühl, gemeint zu sein. aufgehoben, aufhebend, sich, manchmal alles. es macht nichts.

wir sahen das im gegenüber, dessen wir uns nicht sicher sind, das wir nicht kennen, ein tanz derer, die wir sein könnten. der kleine tod danach und vielleicht ist es, wie eine freundin sagte. nur das haben vergeht, die liebe nicht.

kann ja nicht schaden.

ravensbrück

dunkelgraue schlackesteine
kleine grüße an die toten
minusbaracken
wiegen schwer
er als du denkst
und du denkst – du weißt nicht
und merkst erst, wenn du anfasst
und anhebst
und begreifst

der zitronenfalter sieht zu
flattert fliegt hoch
wozu steine wiegen

mit bloßen füßen
straßen bauen zum sterben
müssen
und alles fühlen
fällt forverts unvergessen

autoimmun

schmerz macht gefügig
das ist nicht nur ein sprichwort
es ist wahr wir wissen es
auch wenn es nicht gewollt ist

nach tramal und traumatischen gedanken
bin ich bereit für die nächste stufe
die spritze des praktikanten tut uns leid
notfälle können erst im nächsten quartal wieder in die ambulanz

schmerz über den willen abstrahieren
entkörperte gestalt
in anwesenheit transformiert
drei mal ibu oder 800 nadeln

ich mutiere zum ganzkörpertriggerpunkt
die striche unten dran
sind die beine falls das
die frage war

ich bin quasi das einkaufszentrum
für schmerz shoppende antikörper
und hat eigentlich schon mal jemand
selbstverletzendes verhalten bei zellen problematisiert?

armer kämpfender körper
kleiner leidender kasten
kannst du nicht frieden schließen
die wände hier sind schließlich
lauter weiße fahnen

Was das für 1 Selbstbild ist

Vielleicht hatte das auch damit zu tun. Ich bin doch nicht die, die sich so täuscht, enttäuschen lässt und so wenig schützt. Aber genau die war ich.
Und weit hinten, darunter, hatte eben doch das alte Gefühl, die ewige Indoktrination gesteckt, du bist es nicht wert, hast nichts Besseres verdient, nicht verdient, dass bla. Du bist ein Stück Scheisse. Genau das, als was es sich angefühlt hat. Und ja, das ist Opferkacke. Aber ich hab den Haufen hinter mir gelassen. Hatte auch kein Tütchen dabei.

Was das für 1 Life ist

Ich starre auf die Wand vor mir und mit einem Mal passiert, was ich schon früh in meiner Kindheit versucht hatte, bevor ich die versteckten Holzfasern dann doch einfach herauskratzte, weil mir die Flucht nicht gelang, ich aber verschwinden musste – die Erhebungen in der Raufasertapete wurden zu Mulden, manche mit dem Schatten eines vermuteten Spalts, manche mit schemenhaft angedeuteten Tunneln. Während sie sonst immer an Pickel einer Akne erinnert hatten, waren sie nun plötzlich zu ihren Narben geworden, Krater, in die ich abtauchen konnte, hinter die Wand, in Sicherheit. Das hat nichts zu tun mit Marlen Haushofer oder so, oder doch, in gewissem Sinne, jedoch mehr mit den Kaleidoskopen gequälter Kindheit, aber – und das ist das, was ich eigentlich sagen wollte, an alle da draußen (bzw. eben nicht draußen):
Nichts ist unmöglich.

Was das für 1 Konzept ist

was ist Heilung

keine offene Wunden
ein Prozess
Wiederherstellung und

geheilt klingt nach unheilbar

die Gründe des Leids
die nah waren
die weg sahen aber

Heilung sei
die Beseitigung
der Ursachen (ok world your turn)

Die Folgen, die kaum noch sichtbar sind nur
in einem bestimmten Licht nur
bei Wetterwechsel nur beim Fallen nur

aussen wo sie hineingezwängt wurden
innen wo sie hinaustrennen mussten
wohnen Menschen, Orte, Erinnerungen. Augen. Nerven enden

dort aber wäre ich wieder hergestellt
kuriert integriert und
renaturiert (zum Eizellenzustand, hello brother)

und dann dann dann bin ich geheilt wenn ich gesund bin oder
wenn ich ganz bin muss ich mich auch so sehen können oder eher
die anderen

heilt es euch wenn ich heilen kann
von gesprengtem Weltbild und bröckelndem Vertrauen es
hilft wenn Heilung möglich ist

Resilienz ja

und warum interessiert das andere mehr
als mich ich lebe einfach
was an sich schon krass ist aber

bin ich geheilt wenn ich heil bin

heil
gemacht
von oder vom innen oder aussen und

wozu

Zwischen innen und aussen oder All und Welt sind die Unheilbaren, seht ihr
nicht, sie wohnen da, sie leben, sie spiegeln
euch heillos durcheinander

und atmen

nachrufen

wir lieben wir verlieren
wir halten wir vergessen
wir hören die stille
und leben mit denen
die nicht da sind

wir schwimmen wir sind meer
wir atmen wir sind luft
wir laufen weil wir flüchtig sind
und leben fort
weit fort

wir fallen wir fliegen
wir lieben wir vertrauen
wir halten trauer wenn sie fremd gehen
wir lassen uns leben
und frei

wir wachen wir sind tag
wir erneuern wir sind neu
wir sind weil wir sein können
und geben
uns selbst

Sofa

Ein Transporter hielt vor meiner Tür und brachte: ein Sofa.
Ich besitze (grinning face) nun das erste Mal in meinem Leben so ei Möbelstück. Das gibt mir Hoffnung. Nicht das Sofa selbst, obwohl ich es überhaupt nicht unterschätze, nein, ich meine, dass ich vielleicht schon die Hälfte meines Lebens hinter mir habe (wenn es gut läuft und sogar doppelt gut, so dass ich nicht denke, wenn es schlecht läuft), und immer noch etwas zum ersten Mal geschehen kann. Krasses. Besonderes. Nicht krass Schlimmes, wobei das natürlich immer passieren kann (und längst passiert ist) und in der Nähe und Ferne (was ist eigentlich fern) täglich geschieht – das meine ich nicht, nicht jetzt. Ich meine etwas, das dennoch und immer geschehen kann, etwas, das meine Intellektualisierungen über den Haufen wirft, etwas, das schön ist. Ein Sofa. Seriously?

Es gibt diese Dinge, die ich nie vermisst habe, auch wenn das nur ein Trick von brain war, denn wofür ich kein Geld hatte oder was nicht als Geschenk zu mir kam, das war etwas, das nicht nötig war. Das brauchte ich einfach nicht. Auf die Art ist es möglich, jahrelang die Kleidung mit der Hand zu waschen, sich von Reis mit Tomaten zu ernähren und die Fahrt an den Autobahnsee eine Reise zu nennen. Es ist nur möglich, sich auf das Wesentliche zu besinnen, wenn man eine Wahl hat. Vorher ist es nur das Einzige, von dem höchstens andere sagen können, wow, wie reduziert aufs Wichtige, minimalism, awesome. Nicht.

Aber um auf das Sofa zurückzukommen. Mit dem Geschenk kam ein Hund mit, der gleich auf meinen Arm gehüpft war und dort einen Platz ausfüllte, der offenbar schon lange gewartet hatte. Arm wurde Kopfkissen, Hund lag ganz still und atmete durchs Fell. Hund kennt sich offensichtlich aus mit Sofa und Stille, riecht nach Zen (zum Glück nicht nach Hund und vor allem nicht nass, ich mag nur nasse Strasse, Hunde eigentlich gar nicht). Hund jedenfalls zeigt mir, wie Sofa geht und also Platz und Hund und ich darauf. Kissen, Kaffee, Blick aus dem Fenster. Auf die Dächer, die Bäume, die Spatzen [1]. Himmel. Schön. schön. schön. Das Sofa, das Leben. Auch wenn mein Wohnzimmer jetzt ruiniert ist, ich muss praktisch über Sofa direkt auf den Klavierhocker springen, wenn ich meine Sehnenscheidenentzündung vergessen habe, und Dreisprung um die Ecke zur Küche, die eigentlich der Flur ist, Schrottknie ahead, naja bisschen übertrieben. Das mit dem Hund, der Rest nicht.
[1] Ich wette, sie haben dort Sofareihen hinter der Dachrinne.

Nochmal zum Thema Hoffnung. Thesaurus nennt außer Zuversicht noch Erwartung, aber das stimmt nicht. Ich darf das sagen, denn mit Hoffnung und Shit kenne ich mich aus. Vergeblich zumeist, aber das ist immanent. Keine Erwartungshaltung oder begründeter Anspruch, nur Hoffnung. Die passiert und findet statt, und anders als Wikipedia und die meisten meinen, viel mehr in der Gegenwart als ihre aus Vergangenheit und Zukunft gespeisten Geschwister.

So, und jetzt entschuldigt mich, Sofa ruft. Now.

Kinderwunsch

Du hast Geburtstag ich habe wieder
keinen Kuchen gebacken

Früher konnte ich nicht, keine Küche in Kellern und Krieg

heute könnte und kann ich nicht
obwohl ich aufgestiegen bin von Keller zu Küche
doch die Durchreiche, sie funktioniert nicht

aber sagen wollte ich auch mit einem Kuchen nur
mögest Du glücklich sein und frei
22-05-2016

Gebor g en

Ich sitze mit Kind_von_Freund_und_Freundin am wöchentlichen Abendbrottisch (nein, keine Sorge, es bekommt nicht nur einmal die Woche Abendessen, aber nur einmal die Woche ausschließlich mit mir).

Kind ist klein (wirklich klein) und lernt in unfassbarer Geschwindigkeit sprechen. Wie sie es eben manchmal tun. Es liebt Wörter und Sprache und ich würde ja sagen, das hat es von mir, aber nee naja von mir, zumindest biologisch, kann nicht sein – aber darum geht es jetzt nicht. Mit Kind keine Ablenkungen, keine weiten Gedankenlinien, Knäuel überall, nein, mit Kind alles klar und fokussiert. Ganz im Hier, Jetzt, Sein. Nichtdenken. Stillwerden. Zuhören. Kleine Mahlzeiten dann und wann.

Essen mit Kind läuft zur Zeit so ab, dass Kind auf momentane Lieblingsdinge in der Küche zeigt: „Da! Ein Pferd!“ und alle dann der Reihe nach benennt. (Es fängt gerne mit Pferd an, wobei Pferd natürlich nicht in der Küche aka Stall steht, sondern ein kleines Bild auf einem Wandkalender ist). Jedes zweite Mal fragt es dann mich: „Was das ist?“ und dann sage ich das Wort, manchmal noch ein, zwei weitere Sätze dazu, das Kind nickt zufrieden und beginnt von vorn: „Da, eine Hansibeere!“ (Es liebt Johannisbeeren, jedenfalls wenn die Liebe länger als eine Woche angehalten hat, es verschenkt seine Liebe für Dinge nämlich gerne und regelmäßig neu. Außerdem liebt es Frühstück zum Abendbrot, vor allem eben Beerenmüsli).

Als nächstes zeigt Kind auf die Blumenvase auf dem Tisch und sagt freudig, mit großer Selbstverständlichkeit: „Da, Tulpen! Hat Mama gebastelt.“ Ich schlucke, vor Rührung, sage „Ja“, und bleibe mit dem Blick und den Gedanken an der dunkelroten, weit geöffneten Blüte hängen, aus deren Mitte der Stempel wie ein filigranes Miniaturkunstwerk herausragt. So viel schöne Gewissheit, was Eltern alles können und machen, Eltern machen das Schöne, machen Welt. Das ist erschütternd. Welch Vertrauen und Verletzbarkeit. Welch Verantwortung.

Dann rülpst sie und strahlt und ich freue mich mit ihr und denke, das ist schon fast alles, was es braucht für diese Welt.

Unsync me

Jetzt. Später.

Un-sync me

Ins phone getippte Sätze? Können weg.
In die cloud geschickte Fotos? Auch weg.
In die Luft geworfener Glitzer? Weg damit.
Pseudo? Endlich weg.

Als ob das so einfach wäre.

Diese Liebe war ungeniessbar. Bedingungslos und rückhaltlos wie mein Absturz im Sturm. Oben auf den Klippen noch ein Hauch von grünen Orangen. Jetzt ist sie fort, erst unterspült, dann hinunter.

Hatte Eisen verbogen, um zu passen und nicht zu verlieren, wurde Gummi und zu Deinem Bumeranggeschoss. Bloß hast Du Dich geduckt und ich stand hinter Dir. Wie immer zu rücksichtsvoll.

Hello Bindungstrauma.

[Insert: $time, $tears, $talk, $echoes, $anger, $emptiness, $tears, $time, $tenderness, $brain, $brain, $dignity, did I mention $brain already, $compassion, $time and $friends of mine, dreamless sleep, red wine and walks, und überhaupt $ojmjakon]

Trauer.

Endlich. Mich und meine Geräte mit der Wahrheit synchronisiert.
Lebwohl, Luftschloss. Du warst nur ne Hütte.
Schade. Das Blau stand dir gut.

Goodbye my love

Sync me

Black holes & Revelation.   Du liessest mich abprallen an den schwarzen Löchern deren Ränder eingefasst sind von Irissprenkeln, die ich meinte, etwas zu kennen. Das Minus-Universum, das sich in ihrer Mitte auftat, hatte keinen Platz für mich in der Tiefe des Abgrunds, wie gesagt, es stiess mich ab wie ein aus dem Nichts verdrehter Magnet, der aller Anziehung beraubt nur noch kaltes Metall war oder vorzugeben zu sein schien. Du gabst Dir viel Mühe, mich über Bord zu werfen, schlugst mit der scharfen Kante Deines phones, das mir nicht antwortete, auf die Hände, mit denen ich mich am Bootsrand festklammerte. Monatelang. Festgehalten und kein Wort von Dir. Es war auch mein Schiff, wenn ich erinnern darf, ich war Teil dieser Beziehung und werde mich davon doch verabschieden dürfen, am Besten, ohne unterzugehen oder ertränkt zu werden wie ein ungewollter Wurf kleiner Kätzchen.

Where is my mind.   Wie waren wir, nein Du, dort gelandet, ich glaube, ich stand immer noch unter Schock, ich war mitgeschleift durch Deinen Entschluss und Dein Schweigen und wenn Du noch einmal gesagt hättest, es gäbe nichts zu sagen oder zu erklären, dann hätte ich glaube ich alle Tage und Monate und Jahre und alle Mails und Messages und Bilder und Küsse einzeln wieder hochwürgen und ausspucken müssen, vor Deine Füße, damit Du gesehen hättest, wie unverdaulich Deine Liebe war oder was ich dafür hielt oder was Du dafür hieltest.

Liines.   Ich hielt mich fest an eng ins phone getippten Sätzen, die mir nichts beantworteten, nur zeilenlang meine Fragen vergessen liessen, weiß auf schwarz im Texteditor, der mir die Realität zu editieren verweigerte. Nur speichern konnte ich sie, automatisch, in der own cloud, um hinterher mich und meine Geräte mit Deiner Sicht oder Wirkung synchronisieren zu können. Da musste ich das noch. Konnte nicht merken, nicht lassen. Wollte nicht verlieren, was nicht da war.

Room

Room.
Wie in dem Buch. Wie in dem Buch Room von Emma Donoghue, das von einer Mutter und ihrem fünfjährigen Sohn handelt, die nach jahrelanger Gefangenschaft in Room, einem kleinen, engen Raum in einem Schuppen, die Freiheit erlangen.

Room.
Wie in dem Film. Wie in dem Film Room von Lenny Abrahamson. Nur dass Room in meinem Kopf ist. Außer dass ich weder ganz das Elter noch ganz das Kind bin. Außer I’m not Alice und ich nicht in ein Loch fiel, sondern hineingeboren wurde. Von einer Mutter. Die ihr Kind, das später selbst ein Kind.. Außer dass ich schon als Kind in Room geworfen wurde.

Room.
Wie in der Verfilmung des Buches. Außer dass es kein Fremder war. Außer dass nur ich entkam. Außer dass nachts mehr Menschen kamen. Außer dass ich Room tagsüber verlassen durfte. Und es Room dann nicht mehr geben durfte. Nicht in der Welt, nicht in meinem Kopf. Nicht in meiner Seele. Aber Room war überall. Ich war Room. Bevölkert. Sie haben Room in mir nachgebaut, mich dort eingeschlossen und mich in die Welt geschickt, zu funktionieren. Einen Abschluss zu machen und der Welt zu zeigen, alles in Ordnung. Die Welt hat mir geglaubt, weil ich so gut darin war und nachts dann wieder Room. Die Welt glaubt immer noch. Ich nicht.

Auf Wiedersehen, Room.

Ich sehe Dich jetzt nur noch von aussen. Wie die meisten anderen. Wenn sie hinsehen.

#storyofmylife

Ich habe ein T-Shirt geschenkt bekommen. Das Etikett, das ich noch nicht einmal großflächig rausschneiden musste, weil es ebenso weich wie das Shirt selbst ist, sagt: „They said I was Trash, but now I am fashionable“. Vorne drauf steht Aliens welcome. Es ist in Größe S, aber eins ist klar, nie hat mir ein Kleidungsstück besser gepasst als dieses.

Nie wieder

haben viele gesagt
zu viele nicht

manche laufen auf dem Rücken
von zu wenig nie wieder

mit Granaten in der Hand
und Hass im Kopf

geradeaus
bis zum Anschlag

nie wieder

nie wieder
sollte so etwas möglich sein

nie wieder
sollte es beginnen, immer noch und weiter und von vorn

dabei ist das nie wieder vorbei
und nie wieder zur Floskel

zum Kürzel verlacht
NSU AFD PEGIDA BRD

nie wieder

solange
noch

vertuscht wird
verharmlost, verkannt wird

solange
nicht

benannt wird
geschützt und verhindert wird

solange haben wir kein Recht, keinen Weg
vorbei überhaupt zu denken

nie wieder muss wirklich werden
heute, jetzt, wir

denn es ist nie vorbei
Nicht für die Opfer. Nicht für die Zukunft. Nie wieder.

kaleidoscopic inmates in miscellaneous landscapes

manchmal glaube ich dich zu sehen    als silhouette    fern am horizont    wie du wanderst    wie der horizont kippt und du vor mir    wieder auftauchst    hallo  im nächsten jahrhundert    es wartet    um die ecke die rund vor mir    und dir in viele richtungen verläuft    sich verläuft  kleine wassertropfen    spiegeln rückblickend tausendfach eine iris    in der worte tunnel himmel streifen weite höhlen orange flirrend eis bunt sterne löcher sich hundertfach gebrochen    vervielfacht    in miniaturen und ozeanen widerspiegeln    wie es ist    wie es sein kann    wie es war dann glaube ich    dich zu sehen dann sah ich dich    vielleicht an den rändern    zwischen den welten in tausend    möglichen welten die sich    zuwinken

Sexualisierte Gewalt, Rape Culture und Rassismus

Was ist beschissener als 3 Tage Brechdurchfall?

3 Tage in diesem Internet (oder auch Schland oder Welt) zu lesen/wohnen, das nicht müde wird, i m m e r und i m m e r wieder dieselbe rassistische und sexistische Kackscheisse zu wiederholen. Es macht mich müde. Wütend, dass die Gewalt einfach nie ein Ende haben wird.

Aber was es auch gibt. Lesenswerte Texte zu #Köln:

Hannah C.:
https://maedchenmannschaft.net/zu-gewalt-legitimierender-gewalt/
„Ich möchte eine Auseinandersetzung damit, dass Gewalt – insbesondere sexualisierte Gewalt an Frauen und als “Frauen” (trotz anderer Geschlechtsidentität) benannter Personen – mehr und mehr zu einem gewaltlegitimierendem Grund für Rassismus und andere Formen von Diskriminierung und damit Gewalt wird, statt zum Anlass sich ganz konkret mit Aufklärungs-, Präventions-, Schutz- und Hilfemaßnahmen für alle Personen gleich auseinander zu setzen.“

Betül Ulusoy:
https://www.facebook.com/betuel.ulusoy/posts/569454863208054?notif_t=like
„Man denkt fast: Endlich! Endlich wird über Frauen, Frauenrechte, sexuelle Belästigung und sexuelle Gewalt gegen Frauen in Deutschland gesprochen – und dann reden doch wieder alle nur über Männer.“

Hengameh Yaghoobifarah:
https://taz.de/Gewalt-gegen-Frauen/!5263311/
„Seit der Kölner Silvesternacht wird einer sexismusfreien Zeit hinterher getrauert. Die hat es in Deutschland nie gegeben.“

Interview mit Anne Wizorek:
https://www.fr.de/politik/sexismus-durchzieht-unsere-gesellschaft-11128838.html
„Sexismus durchzieht unsere Gesellschaft.“

Nichtfragen (4)

Ich liege in mir in einer hinteren Ecke, am Boden, nicht draussen schwebend, das kann ich auch, aber nicht heute, ich bin am Boden mit einer Decke aus welligen Worten, die Akkorde über mir horchend auf Luft, die mich ausatmet in den Raum. Es liegt mir nicht, das kalte Draussen, es hat mich aufgezogen und entfernt, aber ich verlerne das langsam. Es war das Kätzchen, dessen Mutter vom Trecker überfahren wurde und das mit ihrem Geschwister jahrelang an Bordsteinen entlanglief, die es für Häuserwände hielt, hinter denen niemand wohnte; es gab ja keine erleuchteten Fenster. Aber das stimmt nicht, weder das mit den verlassenen Häusern noch das andere, die Mutter hatte den Trecker genommen und ihn den Kindern hinterhergehetzt, der Blick zurück hatte stets ihr von Scheinwerfern grell erleuchtetes Gesicht hinter dem Lenkrad gezeigt.

Ich war in mir um alle Ecken gerannt, sprang, keuchte, dem Tod von der Schippe (Trecker=Bagger, ich kenne mich nicht so aus damit, bis das Kind die Katzenmutter samt ihrem Mähdrescher packte und hinauswarf. Das Geschwister war schon lange fort, schon seit es schneller als sie laufen konnte, es hatte sich an ihrem Beckenrand abgestossen und war in der Dunkelheit verschwunden. Das Kätzchen schlief dann nicht mehr, da eins ja Wache halten musste, aber das war eine andere Geschichte.

Ich werde in mir um die Ecke gegangen sein, Leben sehen, das gewesen wäre, Menschen, Geschwister, Mütter oder Katzen. Kind. Und dann werde ich zurückgehen, zu dem, was ich bin, sein werde und war. Weil das immer noch besser ist, als alles, was nicht ist. Weil das wenigstens ich ist. Bis ich es werfe, in den Himmel, wo alle schon sind. I am a bird now.